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London 28.08.2012: At The Drive-In live in der Brixton Academy

Heute verrate ich euch den eigentlichen Grund für unseren kleinen London-Kurzurlaub: Das Konzert der Post-Hardcore-Legende At The Drive-In am 28.08.2012 in der ausverkauften Brixton Academy. Nachdem die Band vor zwölf Jahren auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zerbrach, haben sie sich 2012 wieder für einige Reunion-Konzerte zusammengetan. Und da dies neben zwei Festivalauftritten in England und einem in Spanien das einzige Europakonzert war, haben wir uns diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen lassen und sind nach London geflogen.


Die Band wurde 1993 in El Paso, Texas gegründet (in der endgültigen Besetzung seit 1997) und hatte ihren großen Durchbruch im Jahr 2000 mit dem Album "Relationship of Command", welches den Musikkennern unter euch sicher ein Begriff sein dürfte. "One Armed Scissor" lief auf den Musiksendern rauf und runter und auch die Mainstream Presse feierte die Band. Ich war damals etwa 18 Jahre alt und fleißige Leserin der Musikzeitschrift Visions (ja, damals habe ich noch in Zeitungen aus Papier und Tinte geblättert statt mit der Maus über den Bildschirm zu scrollen), so dass ich mich vom Hype natürlich habe anstecken lassen. Zu Recht, das Album hat die Musik des neuen Jahrtausends wesentlich mitgeprägt. "Relationship of Command" wird heute als eines der einflussreichsten Rockalben des Jahrzehntes betrachtet und findet sich in fast jeder Liste der besten Rockalben des Jahrzehnts wieder. Der Hype wurde der Band allerdings bald zuviel und zusätzliche interne Differenzen und Drogenprobleme führten dazu, dass sich die Band 2001 auf dem Höhepunkt ihrer Karriere trennte. Die Bandmitglieder gründeten neue Bands und Mars Volta und Sparta entstanden.



Und da standen wir nun in der ersten Reihe in der ausverkauften Brixton Academy und warteten auf die Band, von der wir uns nie hätten träumen lassen, dass wir sie noch live erleben dürfen. Supportact war ein DJ namens Mmoths, dessen elektronische Musik irgendwie fehl am Platz wirkte. Aber wahrscheinlich die einzige logische Konsequenz, denn jede andere Vorband hätte sowieso nicht den Erwartungen gerecht werden können. Alle sind nur wegen At The Drive-In hier, und jeder der knapp 5000 Gäste weiß um die Besonderheit dieses Ereignisses. Einziges "richtiges" Europakonzert, zudem das letzte der Tour. Wahrscheinlich das letzte Konzert welches sie je geben werden. Für viele die Helden ihrer Jugend, wobei für mein Empfinden zu viele junge Leute im Publikum sind. Mit meinen 30 Jahren fühlte ich mich fast schon alt. Aber eigentlich auch logisch, denn der Einfluss der Band war auch nach ihrer Trennung noch ungebrochen. 

Das Konzert wurde eingeleitet mit den ersten beiden Songs von "Relationship of Command": Arcarsenal and Pattern Against User. Ich stand ganz vorne, ich hätte es besser wissen müssen. Es wurde eng, verdammt eng. Und sich als kleine, schmächtige Person in den Moshpit zu wagen ist immer ein Risiko. Dafür war der Blick grandios. Das Schild mit dem Crowd-Surfing Verbot wurde natürlich ignoriert. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Band früher für ihre Antipathie gegen Stagediving und Moshpit bekannt war und sogar einen Festivalauftritt vor 40.000 Menschen abgebrochen hat, weil sich die Leute nicht an ihr Stagedive-Verbot gehalten haben, dennoch erstaunlich. Ich habe mir nach dem Konzert natürlich einige Berichte durchgelesen und bin dabei auf einen Auftritt aus dem Jahr 2001 in Bremen gestoßen, kurz bevor sich die Band getrennt hatte. Credics Ausraster war sicher heftig, aber wenn man bedenkt, dass sich die Band kurz danach getrennt hat, fügt sich vielleicht eines zum anderen. Wie auch immer, einen solchen Ausraster gab es in der Brixton Academy natürlich nicht. Es war das letztes Konzert der Tour, wahrscheinlich das letzte Konzert für immer, ein besonderes Ereignis. Vielleicht ist die Band auch gelassener geworden, vielleicht auch die Erkenntnis, dass man es sowieso nicht verhindern kann. 



Es folgten Songs vom Album In/Casino/Out und der Vaya EP. “Don't be afraid to sing along,” sagte Cedric bei "Cosmonaut". Die Stimmung in der Brixton Academy war an diesem Abend, zumindest vorne, grandios. Der Sound hätte besser sein können, aber das sind die bekannten Tücken der Halle und die Brixton Academy ist für ihre mittelmäßige Soundqualität bekannt. Mein Mann hat es - ich frage mich wie - geschafft neben den Fotos auch zwei Videos aufzunehmen. Ein Glück, dass bei den Aufnahmen nicht gerade ein Crowd-Surfer vorbeigekommen ist.

Napoleon Solo (In/Casino/Out)



Rascuache (Vaya EP)


Es gab zwei Zugaben und das Konzert endet mit ihrem größten Hit "One Armed Scissor". Zum Abschied sieht nicht nur das Publikum glücklich aus, sondern auch die Band, welche noch einige Plektren ins Publikum wirft. Mein Mann hat tatsächlich eines gefangen. 5000 schwitzende Gäste wurden in die Londoner Nachtluft entlassen, die meisten mit einem seligen Grinsen im Gesicht. Kritische Stimmen beschweren sich danach, dass die Band ihre Energie von früher eingebüßt hätte, dass Gitarrist Omar lustlos auf der Bühne gestanden hätte anstatt wir vor zwölf Jahren wild in der Luft herumzuspringen. Für die teure Eintrittskarte hätten sie mehr Spielfreude erwarten können. Klar ist, dass Sänger Cedric während des Konzertes im Mittelpunkt stand und einen ähnlichen Auftritt wie früher hingelegt hat. Klar ist aber auch, dass nicht nur wir zwölf Jahre älter geworden sind, sondern auch die Band. Hätten sie versucht an ihre früheren Auftritte anzuknüpfen, dann hätte es nur gewirkt wie eine billige Kopie ihrer selbst. Statt Drogen konsumiert Cedric jetzt Tee auf der Bühne. Seine Stimme klingt besser als früher, das macht die Songs allerdings nicht schlechter. Wir sind alle keine wilden und verrückten Teenies mehr, warum sollte man das von dann von der Band erwarten? Drummer Hajjar hält am Ende seinen kleinen Sohn in die Luft, der wild mit den Drumsticks fuchtelt. Aus den wilden Zwanzigjährigen sind inzwischen Väter geworden.   





Fast zwölf Jahre hat es gedauert, bis sie ihre Relationship of Command-Tour beendet haben. Es war mein erstes At The Drive-In Konzert und man kann stark davon ausgehen, dass es auch das letzte gewesen ist. Gitarrist Jim Ward sagte gegen Ende des Konzertes: "We consider this the last show of the Relationship of Command tour. It’s taken us 12 years to finish. I love these dudes more than life itself.Es fühlte sich irgendwie an wie ein historisch bedeutsamer Moment. Und ich war dabei.


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